Warum ist Greta auf der Bühne des Klimamarsches nicht sicher?

Am Sonntag, den 12. November, wird Greta Thunberg, die auf der Bühne des Klimamarsches steht, von einem weißen Mann in einer leuchtend grünen Jacke belästigt. Er kommt durch die Sicherheitskräfte auf die Bühne, schnappt sich Gretas Mikrofon und sagt: “Ich bin für eine Klimademonstration hier, nicht für politische Ansichten”. Niemand von der Organisation des Klimamarsches tut etwas. Also ist es an den Aktivistinnen auf der Bühne, den Mann von der Bühne zu bekommen. Woher nimmt er die Dreistigkeit, eine junge Frau, die bekannteste junge Frau der Klimabewegung, das Wort verbieten zu wollen? Er konnte sich das Verhalten von der Organisation des Klimamarsches abgucken, die kurz zuvor einer Frau das Mikrofon abstellte, weil sie die Botschaft dieser Frau über den Völkermord und Ökozid an ihrem Volk nicht als “verbindend” empfanden. Mit anderen Worten: Monkey see, monkey do.

Niederländisches Original.
English translation.

Ist das nicht etwa vorschnell? Wenn wir diesen Vorfall als einen Vorfall betrachten, mag er “zufällig” erscheinen. Ich selbst bin seit 14 Jahren Aktivistin für Klimagerechtigkeit in einem Land, in dem die Klimabewegung nicht aus dem Kampf für Gerechtigkeit hervorgegangen ist, sondern in dem es seit jeher grüne NROs gibt, die sich innerhalb eines sehr engen Rahmens für die Umwelt einsetzen. In diesem geht es mehr um Emissionsmoleküle und Statistiken als um den Kampf von Vertriebenen, die ihre Familien bereits durch Invasoren verloren haben, die das Land plündern oder es so verschmutzen, dass es zu Krankheit und Tod kommt. Im Rahmen des Kampfes für Gerechtigkeit geht es um Gesundheit, Versorgung, Solidarität und die stoppen von Invasionen (einschließlich militärischer, politischer und multinationaler Gewalt). Den indigenen Bevölkerungen wird von den leuchtendgrünen NROs nur im Rahmen des weißen Retters, des rettenden oder besorgten Bürgers, Raum gegeben, der vor allem die richtigen Entscheidungen treffen möchte, aber sich nicht weiter mit dem Militarismus und Kolonialismus beschäftigen will, die heute die Erde ruinieren und anderen Wahlmöglichkeiten versagt.

Ich habe 14 Jahre lang die Erfahrung gemacht, dass “jetzt nicht der richtige Zeitpunkt” ist, um über Klimarassismus zu sprechen. Dabei handelt es sich hierbei genau um die politisch-historische Perspektive, die sichtbar macht wie einige Bevölkerungsgruppen strukturell politisch für die Expansionsbestrebungen militärisch mächtiger Staaten geopfert werden und durch den Terror der sich für überlegen haltenden Macht Land, Wasser, Ressourcen, biologische Vielfalt und Gemeinschaft verlieren.

Ich habe bereits 14 Jahre Erfahrung mit der systematischen Ausgrenzung indigener Stimmen, ihrer Ansichten über die Klimakrise und die Politik, die diese Krise verursacht hat. Lassen Sie mich etwas Kontext anreichen, damit wir nicht länger über einen schockierenden “Vorfall” sprechen, sondern über eine rassistische Norm, die seit Jahren indigene Menschen zum Schweigen bringt oder versucht, sie sich in einer Weise anzueignen, in der der Comfort und das Wohlergehen von Menschen, die keine Vertreibung erleben, wichtiger ist als das Leben derer, die ihres Landes, Wassers und Lebens beraubt werden. Der Klimamarsch hat jahrelang weggeschaut und nicht nur einer Palästinenserin, die über die Zerstörung ihres Volkes sprach, das Mikrofon abgedreht; der Klimamarsch hat auch einen ganzen Block von Organisationen, die sich aus Solidarität mit Palästina für Klimagerechtigkeit einsetzen, ausgeschlossen und diskriminiert. Der Block hatte sich ordnungsgemäß über das Formular auf der Website des Klimamarsches angemeldet, doch wurde ihm in beschönigenden Worten mitgeteilt, dass er nicht willkommen sei. Dazu später mehr, aber zunächst ein historischer Blick auf den niederländischen Klimamarsch

Ich erinnere mich an wenig von meiner ersten Klimademonstration in den Niederlanden; es fühlte sich an wie eine deplatzierte Party; es gab Musik und so Leute, die irgendetwas über CO2 sagten, als wäre es einfach vom Himmel gefallen und hätte keine Geschichte von hunderten von Jahren Imperialismus, der durch fossile Kriege eskalierte. Der englische Nationalismus in der Blütezeit ihres Kolonialreichs, das 25 Prozent der Erdoberfläche bedeckte, führte zu Aussagen wie “Die Kohle selbst ist ein Engländer”. Kriegsschiffe, die mit Kohle betrieben wurden, waren nicht vom Wind abhängig, was ihnen einen militärischen Vorteil verschaffte, da sie auf dem Schlachtfeld besser Manövrieren konnten. Durch den Kolonialismus wurden den Kolonien große Mengen an fossilen Brennstoffen gestohlen. Der niederländische Vorgänger von Shell konnte durch diese Zusammenkunft von Macht groß werden. Zu ihrem ersten Vorstand gehörten ein hochrangiger Vertreter der Königlichen Niederländischen Ostindien-Armee (KNIL), der Direktor der Handelskammer und Politiker aus dem Unterhaus. Shell nahm Indonesien das Öl weg. Als Nächstes sehen wir, dass während des Ersten und Zweiten Weltkriegs eine riesige Menge an öffentlichen Geldern in die fossile Infrastruktur gesteckt wurde. Das Militär lebte von der fossilen Industrie, von Tod und Zerstörung und von einer Kultur, die sich als überlegen betrachtete.

Mein Aktivismus für Klimagerechtigkeit entstand aus der Erkenntnis, dass Militarismus und Kolonialismus die größten Hindernisse für eine Energiewende und einen Kampf gegen das Aussterben sind. Nach 14 Jahren habe ich noch nie eine:n Iraker:in auf der Bühne des Klimamarsches gesehen, der:die darüber sprach, wie es sich anfühlt, mehrere Invasionen des Westens über sich ergehen zu lassen, die über geopolitischen Interessen an die Ressourcen in der Region verbunden sind. Nach 14 Jahren habe ich noch nie eine:n indigenen Redner:in auf der Bühne gesehen, der:die das Konzept der verbrannten Erde erklären könnte – ein Begriff, der sich auf einen grundlegenden Wandel in der Kriegsführung bezieht. Im Krieg geht es nicht mehr darum, dass sich Streitkräfte gegenseitig bekämpfen. Die Spielregeln ändern sich, wenn Kolonialmächte wie die USA ein ganzes Land entvölkern wollen. Es ist ein Freifahrtschein, Tiere in einem solchen Ausmaß zu töten, dass die indigene Gesellschaft komplett destabilisiert wird. Man denke daran, was die Lakota, Dakota und Nakota durchmachten, als 50 Millionen Büffel von der Kolonialmacht, die heute USA heißt abgeschlachtet wurden. Bei der Kriegsführung mit verbrannter Erde können Sie Belohnungen aussetzen, um die Bürger aufzufordern, indigene Frauen und Kinder zu skalpieren und dafür Geld zu erhalten. So wurde es auch in den USA gemacht. Bei verbrannter Erde gibt es eine Lizenz zum Ökozid, um ganze Wälder mit Agent Orange aus der Luft zu vergiften. Die USA besprühten von 1961 bis 1971 mehr als 12 Prozent Südvietnams mit Dioxinen und vergifteten 10 Prozent des Ackerlandes und mehr als 20 Prozent der Wälder des Landes. Etwa vier Millionen Vietnamesen waren wesentlich höheren Dioxinkonzentrationen ausgesetzt als in den USA erlaubt waren, und drei Millionen von ihnen wurden krank oder starben. Viele weitere litten an Hunger oder Unterernährung als Folge von Ernteausfällen. Zwei Generationen später kommen immer noch Kinder mit Behinderungen und Missbildungen zur Welt, die auf diese Strategie der verbrannten Erde der USA zurückzuführen sind.

Dieser erste Klimamarsch, an dem ich teilnahm, war so anders als die Proteste gegen die US-Invasion im Irak 2003. Dort hatte man das Gefühl, dass tatsächlich Leben auf dem Spiel standen. Ich fand es sehr seltsam, dass kein Zusammenhang mit der Geopolitik der Kriege um Öl hergestellt wurde. Immerhin sind Ölinteressen seit 1973 der häufigste Grund für militärische Konflikte. Auch der größte Umweltverschmutzer der Welt wurde auf der Bühne nicht genannt. Wann haben Greenpeace oder Milieudefensie jemals eine Kampagne gegen den größten Umweltverschmutzer der Welt geführt? Das US-Pentagon verschmutzt mehr als hundert Nationalstaaten. Das Pentagon ist der größte institutionelle Erdölverbraucher der Welt; allein einer der Kampfjets der Armee, die B-52 Stratofortress, verbraucht in einer Stunde so viel Treibstoff wie der durchschnittliche Autofahrer in sieben Jahren.

Im Kampf um Klimagerechtigkeit, den der bolivianische UN-Botschafter Pablo Solon 2009 führte, stand die Entmilitarisierung im Mittelpunkt der Agenda, in der der Westen seine Klimaschulden begleichen sollte. Dieses grüne Abkommen wurde von indigenen Delegationen und Verbündeten aus der ganzen Welt auf der World People’s Conference on Climate Change 2010 mit rund 30.000 Teilnehmer:innen ausgearbeitet. Nichts davon bei der Klimademonstration von Fossiel Vrij mit überwiegend Fahrrädern und geklingel. Nichts dergleichen bei der Klimademonstration 2014 mit Freek de Jonge, Sänger Sef und DJ Isis. Es wurde nicht anerkannt, dass indigene Völker 80 Prozent der verbleibenden biologischen Vielfalt schützen, aber weniger als ein Prozent der Klimafinanzierung erhalten und am UN-Verhandlungstisch, an dem nur Nationalstaaten teilnehmen (und nicht die Bevölkerungen, deren Land von diesen Nationalstaaten besetzt ist), nicht vertreten sind. Derzeit werden jährlich 2.200 Milliarden Dollar für die Militärindustrie ausgegeben. Davon könnte ein großer Teil der Schulden für die Energiewende und das Klima abgetragen werden. Aber das ist der Unterschied zwischen der Klimagerechtigkeitsbewegung und der Nachhaltigkeitsbewegung: Die eine will den kolonialen Kapitalismus abschaffen, die anderen wollen nur den Stecker in eine andere Steckdose stecken und nur über fossilen Brennstoffe reden.

Ja, aber was ist mit diesem Rassismus der Klimamarschorganisation? Ich gebe zu, dass ich in den ersten Jahren nur traurig war, jedes Mal, wenn die Organisation von einem so genannten Marsch sprach, der uns alle verbinden sollte, während das Wissen, die Geschichte und die Kämpfe der kolonisierten Bevölkerungen, die seit Hunderten von Jahren für den Schutz von Land und Wasser kämpfen, als unwichtig oder weniger “klimafreundlich” angesehen wurden. Dahinter steckt eine Menge Rassismus, der unser Leben, unser Wissen und unsere Kämpfe für minderwertig hält. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass bei einem von einer NROs organisierten Klimawochenende die Leute weggingen, als ich anfing, über Rechte für Mutter Erde zu sprechen. Sie fanden die Idee einer lebendigen Erde, die uns geboren hat und für die wir Verantwortung tragen, zu fremd. Sie wollten sich nicht auf diese Weltanschauung einlassen. Aber von mir als Person von Farbe mit Quechua-Vorfahren wurde erwartet, dass ich mich mit sterilen Figuren verbinde, die den Völkermord an indigenen Bevölkerungen, den militärischen Terror gegen Gemeinschaften und Ökosysteme anderer Gesellschaften auslöschen, immer und immer wieder.

Im Jahr 2017 gab es einen Kipppunkt. Nach acht Jahren der Einsamkeit in der weißen Klimablase gelang es Menschen aus Grassrootaktivistengruppen, die Erlaubnis zu erhalten, einen Redner aus ihrem radikalen antikapitalistischen Block für das Podium des Klimamarsches zu nominieren. Die Ehre wurde Olave Nduwanje Basabose aus Burundi zuteil, heute eine niederländische Feministin, Aktivistin und Anwältin. Es besteht die Tendenz, Menschen zu Wort kommen zu lassen, die selbst nicht in der Klimabewegung verwurzelt sind. Dies wird ihnen schnell vorgeworfen, weil sie nicht genug “verbinden”, weil ihr Ausgangspunkt der Kampf gegen Ungerechtigkeit ist, der zwar mit der Klimapolitik verbunden ist, aber die Kohlenstoffemissionen nicht in den Mittelpunkt stellt. Dieser Vorwurf wurde auch in diesem Jahr erhoben, diesmal aber nicht intern, sondern in allen Zeitungen. Sahar, die afghanische Antikriegsstimme, Friedenspreisträgerin und Juristin, soll versagt haben. Und weil die Organisation des Klimamarsches in Bezug auf sie, indigene Bevölkerungen und den Palästina-Block einen Fauxpas nach dem anderen begangen hat, wird sie nun mit dem Vorwurf an den Pranger gestellt, nicht genug zu verbinden.

Es wird eine unrealistische Erwartung an Redner:innen of colour gestellt, wenn sie die Bühne eines Klimamarsches betreten. Von ihnen wird erwartet, dass sie in der Lage sind, die Kluft zwischen Gemeinschaften zu überbrücken, deren Geschichte, Wissen, Lebensphilosophie, Leben und Tod im Zusammenhang mit den CO2-Emissionen steht, die im Mittelpunkt stehen sollten, als völlig irrelevant angesehen werden. Von ihnen wird erwartet, dass sie auf der Bühne das Bild einer breiten, “vielfältigen” Bewegung erzeugen können. Aber ich habe schon mehrfach erlebt, dass Menschen durch das Sprechen auf der Bühne des Klimamarsches traumatisiert wurden. Erstens wegen der Art und Weise, wie sie behandelt werden, zweitens wegen der spaltenden und heftigen Reaktionen, die sie erhalten, und schließlich, weil es keinerlei Nachsorge gibt. Ich selbst bin noch nie gebeten worden, bei einem nationalen Klimamarsch als Rednerin aufzutreten. Das ist an sich schon bezeichnend. Aber ich habe ein langes Gedächtnis von Missständen.

Bevor Olave die Bühne betreten konnte, wurde sie von einem Klimamarsch-Organisator von Greenpeace wütend angesprochen. Dieser war wütend darüber, dass andere Leute aus ihrem Block unter dem Tor des Rijksmuseums hindurchgegangen waren, obwohl es nicht auf der Route der Demonstration lag. Ihm schien nicht bewusst zu sein, dass er als weißer Mann mit Klimamarschbefugnis eine schwarze Rednerin, die hinter der Bühne ihren Text vorbereitete, unverhältnismäßig unsicher machte, indem er eine Ladung Wut über sie ausschüttete. Und das umso mehr, als sie die erste schwarze Transfrau auf einem Klimamarsch war, die die Bühne vor einem Meer von weißen Menschen betrat, die nicht über Klimarassismus sprechen wollten. Ich habe dann eingegriffen und ihn aus dem Raum geholt, in dem Olave sich auf ihre Rede vorbereitete. Es gab nie Nachsorge oder eine Entschuldigung. Als Olave die Bühne betrat, zögerte sie nicht und begann darüber zu sprechen, dass GroenLinks (Grüne Partei, deren Namen wörtlich übersetzt GrünLinks ist), wenn man schwarz ist, einfach GroenRechts (GrünRechts) ist. Ihre Rede endete mit eisigem Schweigen des Publikums. Ja, es gab etwas Beifall von unserer kleinen Gruppe von radikalen Antikapitalist:innen. Aber der Rest schaute sie meist schief an, weil sie diesen schönen Klimamarsch ruiniert hatte, indem sie über Rassismus in der grünen Blase sprach. Aus diesem Feedback wurde nie etwas, und Olave hat nie wieder etwas von der Organisation des Klimamarsches gehört.

2019 meldete sich zum ersten Mal eine indigene Stimme auf dem Podium zu Wort. Diese Stimme war nicht von den NROs eingebracht worden. Aber sie kämpfte sich wie ein Löwe in die Bewegung hinein und bekam vor allem bei Nature’s Narrative (einer Plattform für Umweltschützer:innen of colour) und später bei Extinction Rebellion eine Bühne. Es ist dem feurigen Energie von Raki Ap aus West Papua selbst zu verdanken, dass sie ihn nicht länger ignorieren konnten. Und das nicht, weil es unter den NROs ein Verständnis dafür gibt, dass die Klimakrise durch die koloniale Politik verursacht wurde und dass diese Art der Politik ihre Herangehensweise beeinflusst hat.

Im Moment duckt sich die Klimakoalition mit ihrer offiziellen Begründung zum Klimamarsch am 12. November weg: “Bei vielen der großen Klimaaktionen der letzten Jahre durften Aktionsgruppen wie ‘The Young Papua Collective ism Free West Papua’ häufig und sehr deutlich die indigene Perspektive gegen Kolonialismus, Kapitalismus und Rassismus zum Ausdruck bringen, ohne die selektive Empörung, die wir jetzt sehen.” Sie selbst scheinen hier selektiv zu vergessen, dass Raki Ap, der Sprecher von Free West Papua NL, eine der drei Personen war, die den Rassismus in der Klima-NRO-Blase über die Medien zur Sprache brachten, weil die Organisationen im Jahr 2019 keine Verantwortung nahmen. Und was war die Reaktion auf den Artikel “Klimaatbeweging ziet activisten van kleur niet staan?” Es wurde geleugnet und beschuldigt, dass ihre Geschichte nicht wahr sei. Das ist genau die Reaktion, die ich selbst seit 2015 erhalten habe, als ich angefangen habe mit NRO-Leuten zu organisieren. Immer wieder wurde meine Arbeit heruntergespielt, ignoriert oder problematisiert. Und in den letzten Jahren habe ich festgestellt, dass das Verlangen an der kulturellen Aneignung von Klimagerechtigkeit neue Probleme schafft. So hört eine immer größere Öffentlichkeit von Klimagerechtigkeit definiert durch privilegierte Nichtregierungsorganisationen, die sich hauptsächlich mit Klimathemen befassen und nicht an vorderster Front gegen Vertreibungen und Verschmutzung kämpfen, die den Tod in die Gemeinschaften bringen. Sie sind es nicht gewohnt, an der Seite von Menschen zu stehen, die sterben und für die ein Klimamarsch ein Ort der politischen Wut, der Trauer und des Protests ist, und nicht eine Party.

Wie kann die Klimakoalition jetzt damit prahlen, dass sie angeblich auf indigene Stimmen hört, wo doch vor dem diesjährigen Klimamarsch ein ganzer Kampf darum geführt wurde, dass ein indigener Redner auf der Bühne steht? Wenn sie wirklich verstanden hätten, dass indigene Völker achtzig Prozent der verbleibenden biologischen Vielfalt schützen, hätten sie vielleicht darauf geachtet, dass achtzig Prozent der Redezeit auf der Bühne für indigene Kämpfe um Klimagerechtigkeit eingeplant werden könnten. Dann hätten sie eine Menge über Palästina lernen können, denn indigene Umweltgruppen wie The Red Nation oder Indigenous Climate Action oder Indigenous Environmental Network äußern sich alle mit Aktionen, Bannern, Erklärungen und Podcasts zur Solidarität mit Palästina. Und warum? Weil sie den dort stattfindenden Völkermord anerkennen und wissen, dass es sich um einen Kolonialismus der verbrannten Erde handelt, der mit der Kolonisierung Amerikas erfunden wurde. Tiere auszurotten, um eine Population zu destabilisieren, ist vergleichbar mit dem Abholzen von Millionen von Bäumen, um sich Land anzueignen. Konzentrationslager und Reservate wurden unter dem politischen Blickwinkel einer ungezügelten Überlegenheit entwickelt. Weiteres industrielles Wachstum auf Kosten der Opferzone ist nur möglich, wenn man eine Kultur der Überlegenheit hat. Die Profite der Kapitalisten werden als wichtiger erachtet als das Leben ganzer Bevölkerungen. Die systemische militärische Gewalt, die dies erfordert, ist ein Krieg, der die Tötung indigener Kinder bejubelt, so wie es derzeit als Tiktok-Trend passiert, in dem Israelis die entwürdigende Folterung von Palästinenser:innen als Scherz nachspielen und darüber lachen.

Ich schließe mit einer Interpretation dessen, was bei dem diesjährigen Klimamarsch schief gelaufen ist. Es begann mit einer Entscheidung, die nicht auf der Bühne getroffen wurde. Ein Block von Climate Justice for Palestine meldete sich über das Anmeldeformular an. Die Antwort war ein Anruf der Koalition, dass sie den Block nicht in die Liste der Blöcke auf der Klimamarsch-Website aufnehmen würden. Die Begründung lautete wie folgt. Man wolle nicht zu viel Solidarität mit Palästina zeigen. Sie wollten lieber, dass es vielleicht eine Stelle im Marsch gäbe, an der zum Beispiel Flaggen zu sehen sind. Sie betonten immer wieder, dass sie wollten, dass es bei dem Marsch um das Klima und nicht um Palästina geht. Es wurde ferner behauptet, dass sie, wenn es einen Palästina-Block gäbe, auch einen Israel-Block zulassen müssten. Dies zeigt deutlich, dass sie selbst den Zusammenhang zwischen dem Überlebenskampf der indigenen palästinensischen Bevölkerung, der Rückgabe von Land und dem Klima nicht verstehen. Hierdurch wird Palästina als nationalistisch dargestellt und eine lange Reihe von antikolonialen Kämpfen geleugnet, unter anderem gegen die (Wasser-)Apartheid. Wenn die Umweltbewegung einen Block gegen Atomwaffen zulässt, dann muss die Organisation doch auch keinen Block für Atomkraft zulassen? Damit zeigte die Organisation, dass sie nicht verstanden hat, dass “Völkermord keine zwei Seiten hat”. Der Völkermord findet seit 1948 statt. Die Umweltbewegung hatte reichlich Zeit, sich zu informieren. Die Klimabewegung hätte von Naomi Klein, dem Aushängeschild der Klimaliteratur und selbst Jüdin, lernen können, wie Palästina eine Frage der Klimagerechtigkeit ist.

Aber die Klimamarsch-Organisation zieht es vor, bei einem heiklen Thema zu diskriminieren, bei dem die westliche Politik und die Medien den Völkermord voll unterstützen. Die westlichen Medien wollen Palästina nicht mit den dekolonialen antirassistischen Stimmen in der Klimabewegung in Verbindung bringen. Selbst als ich es nach 13 Jahren Bewegungsarbeit geschafft hatte, letztes Jahr beim Klimamarsch in Rotterdam zum ersten Mal einen ganzen dekolonialen Antirassismus-Block zu organisieren, mit mehr als 20 Partnerorganisationen und -gruppen, und wir uns durch die gesamte Klimakoalitionspolitik gekämpft hatten, um den Marsch als Frontblock anführen zu dürfen, tauchten wir in Bildern des Marsches in den Medien nicht auf. Normalerweise machen die Medien die meisten Bilder vom Frontblock. Aber wenn dort ein Transparent mit der Aufschrift “White supremacy kills people and plant” zu sehen ist, wird es in den Medien kategorisch nicht gezeigt. Wir haben auch von den Organisator:innen des Klimamarsches gehört, dass sich Teilnehmer des Marsches über unseren dekolonialen Anti-Rassismus-Block beschwert haben: Wir hätten den Marsch gekapert. Genau die gleiche Geschichte wie in diesem Jahr. Nur konnten sie damals unser Mikrofon nicht abschalten, weil wir als Gruppe operierten. Und damals stand Greta nicht neben uns, die den Rassismus eines beträchtlichen Teils der Klimamarschteilnehmer:innen zu einer weltweiten Neuigkeit machte.

In der Zwischenzeit hat die Organisation des Klimamarsches Beratungen zur Schadensbegrenzung durchgeführt und eine Erklärung abgegeben, die keine offensichtliche Reue darüber zeigt, wie sie seit Jahren versucht, die dekoloniale Bewegung für Klimagerechtigkeit zum Schweigen zu bringen, und jedes Mal, wenn wir eine Bühne erobern oder einen Workshop geben, aus weißer Unschuld heraus antwortet, dass sie es meistens sehr schwierig finden, aber über die Verbindung besorgt sind.

Wenn man Menschen diskriminiert, an denen ein Völkermord verübt wird, dann bleibt nur noch eine Verbindung mit unterdrückerischen Untertönen. Es wird mit zweierlei Maß gemessen. Auf der einen Seite wird Menschen, die zur Waffenruhe aufrufen, das Mikrofon abgestellt. Andererseits wird einem Politiker in einer politischen Debatte auf der Bühne des Klimamarsches das Mikrofon gegeben, um zu verkünden, dass er für die Kernenergie im Energiemix ist, den wir in den Niederlanden brauchen. Wird ihm das Mikrofon abgestellt? Nein. Stellen Sie sich vor, ein:e Palästinenser:in wäre auf die Bühne gesprungen und hätte dem Politiker das Mikrofon aus der Hand gerissen, um zu sagen, dass er wegen des Klimamarsches gekommen sei und nicht wegen einer politischen Agenda, die das Klima und die Menschheit bedroht: Die Kernenergielobby ist mit der Militärlobby für Atomwaffen verbunden, und gerade jetzt droht Israel damit, Palästina in eine Mondlandschaft zu verwandeln, und Kommentator:innen sprechen von der Gefahr von Atomwaffen, die den Krieg in der Region eskalieren könnten. Würden die Palästinenser:innen dann die gleiche Behandlung erfahren? Der Mann von GroenRechts wurde nicht einmal verhaftet. In den Niederlanden wurden bereits Antirassismus-Aktivisten verhaftet, weil sie ein T-Shirt mit der Aufschrift “Zwarte Piet is racisme” trugen. Aber dieser Mann wird nicht von der Organisation des Klimamarsches entfernt. Die Sicherheit von Greta wurde von den Aktivistinnen auf der Bühne wahrgenommen. Wer sich mit dekolonialen, antirassistischen Stimmen der Klimagerechtigkeit solidarisiert, dem kann das Mikrofon genommen werden. Das ist die unterschwellige Botschaft der Klimamarschpolitik , aber auch des Bühnenstürmers.

Und während die Medien nach dem Marsch vor allem Fehlinformationen über Sahar und Sara verbreiteten, deren Mikrofone abgeschaltet worden waren, gibt es keine Aufregung darüber, dass ein Politiker auf die Bühne eines so genannten Klimamarsches kommen darf und für Atomenergie werben kann. Das ist zu merkwürdig, um es in Worte fassen zu können. Es gibt keine Aufregung in den Medien darüber, dass Sahar im Vorfeld Zensuranweisungen erhalten hat um anstelle einer Palästinenserin zu kommen und über mehrere Konflikte zu sprechen, ohne das Wort Völkermord zu verwenden, und das doch bitte in vier Minuten. Es wird nicht darüber nachgedacht, dass indigenen Stimmen kein Platz auf der Bühne des Klimamarsches gegeben wurde und dass die Künstlerin Shishani ihre Spielzeit an die indigene Befreiungsbewegung abtrat, um dennoch eine Botschaft zu vermitteln. Es ist nicht einzusehen, dass die Stimmen der Klimagerechtigkeit aus der Karibik auf der Bühne des Klimamarsches keine Redezeit bekommen haben. Das wurde alles absichtlich ohne uns entschieden, auf Kosten von uns und der Klimagerechtigkeitsbewegung insgesamt. Ich hoffe, dass die Konturen langsam klar werden, dass eine strikte Regie geführt wird, damit man sich nicht zu sehr damit beschäftigt, wie der Kolonialismus zur Verstörungen von globalen ökologischen und Klimaprozessen geführt hat. Und dann beschuldigen sie die Redner, die sie gebeten haben Farbstoff für ihre Vielfalt zu sein, für ihre Verwurzelung in Gerechtigkeitskämpfen und für ihre Solidarität mit der Klimagerechtigkeitsbewegung. Welche Existenzberechtigung hat diese Klimamarschorganisation, wenn sie opportunistisch den Schrecken nutzen, dass unser Haus brennt, aber denjenigen kein Podium bietet, die seit Jahrzehnten in diesem Haus leben?

Inzwischen ist das Maß voll. Die Auslöschung der dekolonialen Bewegung für Klimagerechtigkeit und Aktivist:innen of colour im Allgemeinen wurde inzwischen von so vielen Personen angeprangert. Von Vanessa Nakate aus Uganda bis zu Tonny Nowshin aus Deutschland. Vom Wretched of the Earth Collective in England bis zu Suzanne Dahliwal. Von Meera Ghani in Belgien bis zu mir hier in den Niederlanden schlagen wir schon so lange Alarm. Aber die Klimamarschierer, die die Fäden ziehen, wissen nicht, was Kämpfe für Klimagerechtigkeit sind. Sie wissen nicht einmal, wer Chico Mendes ist. Chico Mendes ist ein ermordeter Gewerkschaftsführer und Umweltschützer aus Brasilien, der sagte: “Umweltschutz ohne Klassenkampf ist nur Gartenarbeit”.

Ein Klimamarsch, der sich nicht an die Seite der am meisten Unterdrückten stellt, um eine Kultur der Überlegenheit zu überwinden und den Militarismus, der unsere Erde bedroht, zu zerstören, baut keine Bewegung auf, sondern ist nur eine Ablenkung. Und glauben Sie mir: davon haben wir schon genug. Greta war auf dem Klimamarsch nicht sicher, weil sie an der Seite der Unterdrückten stand. Das ist es, wo der Kampf für Klimagerechtigkeit beginnt: die Bereitschaft, einen Shitstorm der Ungerechtigkeit zu benennen und dann Seite an Seite mit denen zu stehen, die schon länger als du für politische Veränderungen durch kollektiven Widerstand kämpfen. Wenn Sie versuchen, uns zum Schweigen zu bringen, werden Sie nie mit uns in Verbindung treten.

Chihiro Geuzebroek